Genius Loci und Quadratmeter

Der Tag der Immobilienwirtschaft des ZIA 2015 in Berlin

Ich leite den Masterstudiengang ArchitekturProjektEntwicklung an der Hochschule Bochum, der in seiner Art und Ausprägung bundesweit einzigartig ist und seinen Anteil daran hat, dass die Architekturausbildung an der BO seit Jahren auf den vorderen Plätze im Hochschulranking zu finden ist, insbesondere, was den Praxisbezug zur Immobilienwirtschaft betrifft. Durch regelmäßige Symposien („Wem gehört die Stadt“, „Wirkt!“, „Win Win“, „Was, wenn“), Vortragsreihen und eine enge Vernetzung mit den Playern aus öffentlichen Institutionen, Projektentwicklung, Asset Management, Finanzierung und Bau gelingt dem Studiengang eine hohe Wahrnehmung in der Fachöffentlichkeit und darüber hinaus. Insgesamt acht Lehrende vermitteln Themen von Stadtsoziologie und Stadtforschung über allgemeine und Visuelle Kommunikation, Stadtplanung, Architektur, Immobilienökonomie bis hin zu Real Estate Branding.

So spannt der Studiengang den Bogen von den demografischen Fragen, gesellschaftlichen Themen und politischen Debatten unserer Zeit wie etwa Migration, schrumpfende vs. zu schnell wachsende Städte, das Altern der Gesellschaft, Untersuchung zu Trends, Strömungen und Verhaltensweisen bis hin zu Finanzierungsmodellen und zum Cash Flow. Das Ergebnis: Gute Architektur lohnt sich! Oder andersrum: Auch Architektur, die sich lohnen, also rechnen muss, kann gute Architektur sein! Und weil das so ist, initiiere ich auch mit meinem Büro Sehw Architektur im Netzwerk mit Projektentwicklungs- und Beteiligungsgesellschaften architektonische Projekte selbst.

Nun ist Architektur selbst wohl die unwissenschaftlichste aller Wissenschaften und als Inhalt von wissenschaftlichen Untersuchungen verhält sich dies ähnlich, doch zeigt sich, dass architektonischer Mehrwert zumindest empirisch nachweisbar und sogar messbar ist. Also aufpassen, Investoren und Entwickler, all die GFZ-Optimierer, die mit Spike Jonzes´ Film „Being John Malkovich“ gesprochen am liebsten noch zusätzliche halbe Stockwerke bauen würden. Nur: Die würden sie nicht vermarktet kriegen. Gute Architektur entsteht oft in schwierigen Marktsituationen, da dann das architektonische Alleinstellungsmerkmal wichtiger wird als bei ohnehin hoher Nachfrage nach Anlageobjekten, wenn es nur darum geht, dass die hochspekulativen Aktien- oder Rohstoffmärkte zu risikoreich geworden sind und deshalb in egal welches „steinerne Gold“ investiert wird. Nicht Genius loci oder Quadratmeter, sondern Genius loci und Quadratmeter heißt die Formel zur guten Architektur, die sich lohnt.

 Ein anderes Thema ist Kommunikation. Unterhalten sich Architekten und Immobilienwirtschaftler, dann herrscht babylonische Sprachverwirrung. Der eine spricht von Raumintensität und der andere von seiner Due Dilligence. Wir müssen lernen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, weshalb wir am Fachbereich Architektur eine Psychologieprofessorin eingebunden haben, die Grundlagen der Kommunikation lehrt. Wie spreche ich mit wem über welches Thema? Wer sind die Stakeholder in meinem Projekt und wie nehme ich sie mit auf den Weg, wie begleite ich sie durch den Planungs- und Ausführungsprozess? Wir haben es heute mit viel mehr und teilweise ganz anderen Akteuren zu tun als dem klassischen Bauteam aus Architekt, Ingenieur und Baufirma. Und wir leben in einer Welt des „I shop, therefore I am“. Die Menschen wollen Produkte und sind nicht mehr gewöhnt an Prozesse.

Wie erreichen wir also die Immobilienbranche? Zumindest nicht, wenn wir Architekten die Debatte über Baukultur im Hinterzimmer führen. Wir müssen damit in den öffentlichen Raum, den wir mit unserem Werk ja auch besetzen. Es gibt da durchaus gute Formate und Plattformen. Und ja, vermutlich geht das in der Schule los. Unter dem Titel „Architektur macht Schule“ bieten wir Schulen an, dass Kinder zu uns ins Büro kommen oder eine Baustelle besichtigen können, um sie an das Thema gebaute Umwelt heranzuführen. Bitten Sie ein Kind, das in einem Haus der klassischen Moderne wohnt, ein Haus zu malen, dann wird das anders aussehen als das übliche Haus vom Nikolaus. Architektur hat mit Konditionierung und mit Sozialisierung zu tun. Architektur ist ein gesellschaftliches Thema und somit Teil eines Bildungsauftrags. Nur ist der bei uns in Deutschland nicht sehr ausgeprägt. In unseren europäischen Nachbarländern ist dies anders. In Österreich etwa wird über Beispiele guter zeitgenössischer Architektur zu den Hauptsendezeiten in den Hauptnachrichten berichtet. Da haben wir noch einiges vor bis in die Tagesthemen oder ins heute journal. Und ich gehe jetzt erst mal zum Tag der Immobilienwirtschaft, wo sich die Player der Branche treffen. Zum Dolmetschen.

Es lohnt sich!