alles nur Fassade?
Gebäudehülle zwischen maßgeschneidert und seriell
Ein weiteres Beispiel ist die von unseren Hamburger Kollegen geplante Erich-Kästner-Schule in Hamburg; ein kraftvoller fünfgeschossiger Baustein in einem relativ dichten Schulensemble. Bei der Gestaltung orientierte sich die Fassade an umgebungsüblichen stehenden Fensterformaten. Spannung entsteht aus der Materialität: Die strenge Rasterung der stehenden Fenstern wird überlagert von mal schlanken, hohen Feldern, mal von breiten, niedrigen Feldern, die sich als dreidimensionales Ornament über die Fassade ziehen.
Unsere Gustav-Heinemann-Gesamtschule, ein entlang einem kommunikationsfördernden Schulboulevard angelegtes Schulzentrum in Essen, war ein weiteres Anschauungsbeispiel. Unsere Wahl war diesmal eine vorgehängte Klinkerfassade mit Kerndämmung in Dünnformat mit Original Wasserstrich Backstein im wilden Verband verlegt und mit zurückgesetzter Fuge. Um die Schule den Bürger*innen des Viertels zu öffnen, entstehen Mehrfachnutzungen für Stadtteilbibliothek, Cafeteria, Aula und Sportflächen. Um diese öffentlichen Bereiche auch baulich hervorzuheben, heben sie sich als bronzefarbene Metallfassaden vom grau-beigen Stein ab.
Bei einem anderen Schulprojekt, unserem inklusiven Schulzentrum in Döbern haben wir den Stein mal skulpturaler eingesetzt, indem der schräg vermauert wird. Dadurch erhält das an sich kompakte und simple Volumen eine Fassade mit interessantem Schattenwurf und leichter, fast stofflicher Prägung.
Mit einem Wettbewerbsprojekt geht es weiter; die Gesamtschule mit Sporthalle in Kolkwitz, wo Ziegelproduktion jahrzehntelang stattfand. Der Neubau erhält eine einheitliche Fassadengestaltung in hellem Klinker-Verblendmauerwerk, der einen reizvollen Kontrast zum umgebenen Naturraum herstellt und dem Gebäude einen eleganten und leichten Ausdruck gibt. Große Fensterbänder mit farblich abgestimmten Rahmen und Lüftungsflügeln sorgen für eine hohe Transparenz und unterstreichen den Rhythmus und die Regelmäßigkeit der Gebäudevolumen.
Auch die Grundschule auf dem ehemaligen Kasernengelände Krampnitz war ein Teil des Vortrags. Die Fassaden des Neubaus orientieren sich in Materialität, Textur und Farbgebung an den Bestandsgebäuden und verorten damit die Grundschule unmissverständlich im Kontext des historischen Krampnitz. Dabei werden neben der Klinkerfassade auch Details, wie die Fensterumrahmungen aus Beton, vom Bestand als Vorbild übernommen. Die dennoch klare Abgrenzung zur Umgebungsbebauung ist daher vor allem den großflächigen Fensterformaten mit niedrigen Brüstungen zu verdanken, die neben einer natürlichen Belichtung und Belüftung auch für einen unmittelbar erfahrbaren Außenraumbezug sorgen.
Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass wir uns gerade in unserer Klinkerphase befinden, auch wenn wir parallel mit Keramik, Holz, Putz, Metall und auch Membranen als Fassadenmaterial arbeiten. Zumindest würden wir heute nicht mehr grundsätzlich Materialien ausschließen, sondern ausprobieren, wie wir sie spannend einsetzen können. Und mal sehen, welches Material die nächste Schaffensphase auslösen wird.
Die Vorträge auf der Veranstaltung sind für Mitglieder der Bibliothek des Elemente Materialforums als Audio- bzw. Videodatei hier abrufbar.
Eventfotos: Helin Bereket
Foto Grundschule am Jungfernsee: Philipp Obkircher
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