Xaver Egger hält einen Vortrag auf der Veranstaltung

alles nur Fassade?

Gebäudehülle zwischen maßgeschneidert und seriell
Auf Einladung des Elemente Materialforums hat Prof. Xaver Egger vorletzte Woche auf der Veranstaltung „FASSADEN & DÄCHER“ einen Vortrag gehalten. Der Fokus lag dabei auf Klinkerfassaden, von denen wir derzeit einige realisieren bzw. bereits realisiert haben. Es hat eine Weile gedauert, bis wir unsere Vorurteile gegenüber dem Material abgelegt hatten (zu düster, zu schwer, irgendwie spießig …). Mittlerweile haben wir viel Freude daran, unterschiedliche gestalterische Anwendungsmöglichkeiten, die Sinnlichkeit, die drin steckt, die Handwerklichkeit der Verarbeitung, die Langlebigkeit und Wertigkeit des Klinkers zu erforschen und damit schöne Kleider für Gebäude zu schneidern. Wie zum Beispiel bei der Fassade unserer kürzlich fertiggestellten Grundschule am Jungfernsee in Potsdam. Da die neue Grundschule sich im denkmalgeschützten Umfeld der Roten Kaserne, also in einem sehr klinkergeprägten Umfeld befindet, war es sehr naheliegend, mit dem Material drauf zu reagieren. Wir haben einen sehr kräftig roten Stein ausgesucht und mit einer roten Fuge noch überhöht. „Wenn in diesem Umfeld mit diesen alten Kasernengebäuden mit roten Steinen, dann noch röter als rot“ war unser Motto.
Verschiedene Fassaden aus den Projekten von Sehw Architektur.
Vorplatz der Grundschule am Jungfernsee, Potsdam.
Vorplatz der Erich-Kästner-Schule in Hamburg.
Vorplatz der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Essen.

Ein weiteres Beispiel ist die von unseren Hamburger Kollegen geplante Erich-Kästner-Schule in Hamburg; ein kraftvoller fünfgeschossiger Baustein in einem relativ dichten Schulensemble. Bei der Gestaltung orientierte sich die Fassade an umgebungsüblichen stehenden Fensterformaten. Spannung entsteht aus der Materialität: Die strenge Rasterung der stehenden Fenstern wird überlagert von mal schlanken, hohen Feldern, mal von breiten, niedrigen Feldern, die sich als dreidimensionales Ornament über die Fassade ziehen.

Unsere Gustav-Heinemann-Gesamtschule, ein entlang einem kommunikationsfördernden Schulboulevard angelegtes Schulzentrum in Essen, war ein weiteres Anschauungsbeispiel. Unsere Wahl war diesmal eine vorgehängte Klinkerfassade mit Kerndämmung in Dünnformat mit Original Wasserstrich Backstein im wilden Verband verlegt und mit zurückgesetzter Fuge. Um die Schule den Bürger*innen des Viertels zu öffnen, entstehen Mehrfachnutzungen für Stadtteilbibliothek, Cafeteria, Aula und Sportflächen. Um diese öffentlichen Bereiche auch baulich hervorzuheben, heben sie sich als bronzefarbene Metallfassaden vom grau-beigen Stein ab.

grüner Schulhof mit dem Erweiterungsbau des Primarbereichs des Schulzentrum Döberns.
Vorplatz der neuen Gesamtschule Kolkwitz.
Vorplatz der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Essen.
Vorplatz mit waldartigem Schulhof und Neubau der Grundschule in Krampnitz.

Bei einem anderen Schulprojekt, unserem inklusiven Schulzentrum in Döbern haben wir den Stein mal skulpturaler eingesetzt, indem der schräg vermauert wird. Dadurch erhält das an sich kompakte und simple Volumen eine Fassade mit interessantem Schattenwurf und leichter, fast stofflicher Prägung.

Mit einem Wettbewerbsprojekt geht es weiter; die Gesamtschule mit Sporthalle in Kolkwitz, wo Ziegelproduktion jahrzehntelang stattfand. Der Neubau erhält eine einheitliche Fassadengestaltung in hellem Klinker-Verblendmauerwerk, der einen reizvollen Kontrast zum umgebenen Naturraum herstellt und dem Gebäude einen eleganten und leichten Ausdruck gibt. Große Fensterbänder mit farblich abgestimmten Rahmen und Lüftungsflügeln sorgen für eine hohe Transparenz und unterstreichen den Rhythmus und die Regelmäßigkeit der Gebäudevolumen.

Xaver Egger hält einen Vortrag auf der Veranstaltung "Fassaden & Dächer" von Elemente Materialforum.
Xaver Egger hält einen Vortrag auf der Veranstaltung "Fassaden & Dächer" von Elemente Materialforum. Xaver Egger hält einen Vortrag auf der Veranstaltung "Fassaden & Dächer" von Elemente Materialforum.

Auch die Grundschule auf dem ehemaligen Kasernengelände Krampnitz war ein Teil des Vortrags. Die Fassaden des Neubaus orientieren sich in Materialität, Textur und Farbgebung an den Bestandsgebäuden und verorten damit die Grundschule unmissverständlich im Kontext des historischen Krampnitz. Dabei werden neben der Klinkerfassade auch Details, wie die Fensterumrahmungen aus Beton, vom Bestand als Vorbild übernommen. Die dennoch klare Abgrenzung zur Umgebungsbebauung ist daher vor allem den großflächigen Fensterformaten mit niedrigen Brüstungen zu verdanken, die neben einer natürlichen Belichtung und Belüftung auch für einen unmittelbar erfahrbaren Außenraumbezug sorgen.

Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass wir uns gerade in unserer Klinkerphase befinden, auch wenn wir parallel mit Keramik, Holz, Putz, Metall und auch Membranen als Fassadenmaterial arbeiten. Zumindest würden wir heute nicht mehr grundsätzlich Materialien ausschließen, sondern ausprobieren, wie wir sie spannend einsetzen können. Und mal sehen, welches Material die nächste Schaffensphase auslösen wird.

Die Vorträge auf der Veranstaltung sind für Mitglieder der Bibliothek des Elemente Materialforums als Audio- bzw. Videodatei hier abrufbar.

Eventfotos: Helin Bereket

Foto Grundschule am Jungfernsee: Philipp Obkircher

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