Mitten in Berlin – mitten im Wald
Eindrücke vom Bestandsgebäude der Kurt-Tucholsky-Grundschule
Im Berliner Stadtteil Moabit, der fast vollständig von Wasserstraßen und Kanälen umschlossen ist, versteckt sich hinter dem Fritz-Schloss-Park die verschlafene Kruppstrasse. Hier wird in den Jahren 1912 - 1914 nach Plänen der Architekten Lauenburg und Pomplun ein Kasernen-Ensemble für die preußische Armee errichtet. Teil der großflächigen Anlage ist das Wohngebäude für Offiziere und Mannschaften in der Kruppstr. 14a. Hier zieht in den 1940er Jahren nach jahrelangem Leerstand das Gesundheitsamt ein - baulich wird zunächst wenig verändert. Erst 1960, als durch die Polizei eine weitere Nutzungsänderung erfolgt, wird das bis dahin ungenutzte Dachgeschoss mit seinem mächtigen, knapp 10m hohen Walmdach ausgebaut. In diesem Zustand schlummert die Gebäudestruktur - bis die Polizei im Jahr 2015 auszieht. Seitdem steht die Kruppstr. 14a leer.
Eine Umnutzung zu schulischen Zwecken wird bereits kurz nach der Wende geprüft, aufgrund der ungeeigneten Gebäudestruktur jedoch schnell wieder verworfen. Vielleicht zurecht – denn auch über 30 Jahre später bringt der Umbau zu einem Schulgebäude, der nun aufgrund der rasant wachsenden Stadt unerlässlich geworden ist, enorme bauliche Veränderungen mit sich. Die imposante hölzerne Walmdachkonstruktion ist baufällig und muss vollständig abgetragen werden. Die Stahlsteindecken, einst zur reinen Wohnnutzung bemessen, halten den neuen Lasten nicht stand und müssen mit fast 1.200 laufenden Metern Trägerrost unterseitig ertüchtigt werden. Zugunsten der Barrierefreiheit wird ein neuer Aufzugskern in die vorhandene Struktur eingefügt. Das Nebentreppenhaus, das derzeit nur das Hochparterre erschließt, wird sich aufgrund der Brandschutzanforderungen künftig bis ins Dachgeschoss erstrecken. Konsequenz all dessen ist eine aufwändige Unterfangung der bestehenden Gründung.
Über all dem schwebt zudem der Denkmalschutz – außen sowie innen. Und so gilt es all das, was ein ganzes Jahrhundert überdauert hat, zu erhalten, um die Geschichte des Hauses sichtbar und erlebbar zu machen: Ein alter Waschtrog wird behutsam ausgebaut und für den Kunstunterricht reaktiviert. Das Haupttreppenhaus verbleibt mit seinen massiven Natursteinstufen, dem Steinfußboden und dem geschmiedeten Metallgeländer mit hölzernem Handlauf so dicht wie möglich am bauzeitlichen Zustand. Dort, wo tragende Wände dem Raumprogramm einer zeitgemäßen Grundschule weichen müssen, werden Belagswechsel im Boden auf die Spuren der Zeit hinweisen. Änderungen immer nur so viel wie baurechtlich nötig und so wenig wie denkmalkonservierend möglich.
An der Hülle tut sich weniger – das Sichtziegelmauerwerk aus roten Handstrichziegeln und die glatt verputzten grauen Flächen werden behutsam instandgesetzt, die Einschusslöcher und Putzfehlstellen aus Kriegszeiten bleiben sichtbar, die Holzfenster erhalten. Und das neue Dach zeichnet in seiner ursprünglichen Kontur als ‚kleine Philharmonie‘ mit den Fachräumen Kunst und Musik den Abschluss des historischen Gebäudes nach.
Der künftige Schulhof liegt inmitten eines wunderschönen alten Baumbestandes.
So wird am Rande des Fritz-Schloss-Parks auf historischem Grund bis zum Sommer 2024 ein grüner Lernort für 150 Kinder entstehen. Und sollten demnächst alle behördlichen Hindernisse aus dem Weg geräumt sein, so werden im geplanten Erweiterungsbau kurz darauf 150 weitere Kinder rund um das kleine Pförtnerhaus ins Schulleben starten.
Mitten in Berlin – mitten im Wald.
