
Im Gespräch
md magazin spricht mit Prof. Xaver Egger
Jungen Menschen legt Prof. Xaver Egger ans Herz, sich auch als Neuling um Aufträge für Bildungsbauten zu bewerben. Er erklärt, welche Rolle der Nachwuchs für sein Architekturverständnis spielt und warum sich der Einsatz für Bildung als gesellschaftliche Frage lohnt. Im Interview mit md magazin spricht Prof. Xaver Egger über die zentrale Rolle der Architektur bei der Gestaltung moderner Bildungseinrichtungen:
Welchen Part übernimmt die Architektur bei der Gestaltung moderner Bildungseinrichtungen?
Architektur ist für uns ein zusätzlicher Pädagoge, der soziale Praxis gestaltet. Wir schaffen differenzierte Raumangebote, die individuelle Entfaltung fördern. Wir bauen für zukünftige Pädagogen, die dies gerne annehmen.
Auf welche räumlichen Voraussetzungen kommt es an, damit Schüler optimal lernen können?
Es braucht eigentlich keine. So zeigen zum Beispiel bestehende Gründerzeitbauten bestens, wie flexibel Räume genutzt werden können. Rückzugsorte und Lernmöglichkeiten im Klassenverband sind gleichermaßen wichtig Differenzierungszonen zwischen Klassenzimmern ermöglichen intensive Betreuung oder eigenständige Arbeit. Gerade wenn es um offene Lernlandschaften geht, stellt der von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft entwickelte Neubau der Staatlichen Gemeinschaftsschule Weimar ein Paradebeispiel dar. Glaskuben und Vorhänge zonieren die große Halle ohne feste Wände. Die Flexibilität solcher Konzepte bleibt spannend.
Thema Flexibilität: Wie kann die Innenarchitektur unterschiedliche Lernstile unterstützen?
Möbel und Einbauten gestalten wir oft selbst, um das Zusammenspiel von außen und innen zu optimieren – das hängt vielleicht auch mit meinem Background als Tischler zusammen. Viele Hersteller haben das Potenzial Bildung für sich erkannt, sodass es hier mittlerweile gute Systeme gibt. Das heißt aber nicht, dass man mit etwas Fantasie und Pragmatismus nicht auch Standardmöbel kreativ und beweglich nutzen kann. Das ist gerade im Bestand oft ein Thema.

Was können Sie den jüngeren Generationendenn hier mitgeben?
Meine eigenen Kinder hadern ebenfalls oft mit dem Schulsystem und vor allem mit den in die Jahre gekommenen Gebäuden. Meine Frau, die gleichfalls Architektin ist, und ich gebe ihnen dann mit auf den Weg, dass wir Gegebenheiten annehmen und in etwas Positives verwandeln können. In der Ausbildung junger Menschen Freiräume zu lassen, ist in meinen Augen unerlässlich, wenn es darum geht, für die Zukunft flexibel und anpassungsfähig zu bleiben. Denn auch wenn der Neubau oft die erste und einfachere Wahl ist: Wir haben viele sanierungsbedürftige Bestandsgebäude, gerade im Bildungsbereich.
Inwieweit spielt Nachhaltigkeit eine Rolle in Ihrer Arbeit?
Bestehende Bauten bieten die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen und schaffen Identifikationsmöglichkeiten. Ein solcher Ansatz ist für Schulträger oft schwierig und vor allem kosten -intensiv in der Umsetzung. Deshalb prüfen wir immer, welches Potenzial ein Bestand bietet. Urban Mining gerät verstärkt zu einem Thema. Bei den Auftraggebern steckt es aber noch in den Kinderschuhen.
Aus diesem Grund haben wir bei SEHW einen eigenen Kompass zur Beurteilung von Nachhaltigkeit in unseren Projekten entwickelt. Dieser reicht weit über die gängigen Bewertungskriterien hinaus.
Welche Bedeutung kommt darin natürlichen Elementen zu?
Eine große. Tageslicht und Grünflächen wirken sich nachweislich positiv auf das Wohlbefinden aus. Wir arbeiten hier beispielsweise mit grünen Innenhöfen. Denn das herkömmliche Klassenzimmer hat ausgedient: Wir versuchen, Orientierung zu bieten und Bereiche zu zonieren. Dabei betrachten wir das Schulhaus wie eine kleine Stadt, in der es Straßen und Plätze gibt. Grünflächen sind außerdem ein Angebot an die Lehrkräfte, gemeinsam mit den Schülern Gemüse anzubauen, im Freien zu lernen, Inspiration zu finden oder – wie die Jugend sagen würde – zum Chillen.
Welche Tendenzen erkennen Sie in der Gestaltung von Bildungseinrichtungen?
Es gibt gewisse Strömungen, wobei man differenzieren muss. Gestalterische Trends, wie mit warmen Materialien – etwa Holz –, organischen Formen und behaglichen Lichtstimmungen eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, lassen sich ebenso beobachten wie die Themen Flexibilität und Multifunktionalität.
Bei letzterem Ansatz geht es auch darum, Flächen und Kosten einzusparen. Vor diesem Hintergrund sind Totalübernehmer und sonstige neue Vergabeverfahrensarten ein weiteres Thema, auch wenn einige Kollegen dem eher skeptisch gegenüberstehen. Ich denke, wir sollten davor keine Scheu haben, sondern lieber Ideen entwickeln, wie man trotzdem zu guten Lösungen kommen kann. Spannend finde ich auch das Potenzial des Austauschs zwischen Bildungsorten und dem Stadtraum, indem man Schulen außerhalb der Unterrichtszeit für die Öffentlichkeit zugänglich macht. Es gibt viele Trends: Entscheidend ist das Schaffen passender Angebote.
Foto: Helin Bereket
Visualisierung: THIRD