• zentraler Vorplatz mit großzügigem Eingangsbereich des Krankenhauses in Oberwart, Graz, Österreich.

    Vienna Calling

    sehw berichtet im NAX-Report über das Arbeiten in Österreich

    In 2018 war das Network for architectural exchange, kurz NAX, dessen Mitglied Sehw ist, zum Erfahrungsaustausch in Wien. Unter dem Titel „Vienna Calling“ wurde dazu eingeladen. Sehw ist gar nicht erst wieder zurückgekehrt. Unser call nach Wien erreichte uns 2002. Seitdem haben wir in Österreich mehrere Projekte hauptsächlich im Bereich Health Care und Wissenschaft und Forschung geplant und umgesetzt. Darüber hinaus begleiten wir als Consultants öffentliche und private Bauherr*innen in diesem Bereich der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, was notwendige Veränderungsprozesse betrifft und ihre Auswirkungen auf Bedarfe und auf Gestaltung.

    Die Entstehungsprozesse dieser architektonischen Projekte waren sehr unterschiedlich. Es handelte sich um direkte Beauftragungen, Erfolge bei Wettbewerben und sonstigen Vergabeverfahren sowie Projektentwicklungen. Gerade die Wettbewerbsszene in Österreich Anfang der Nullerjahre war von sehr großer Offenheit geprägt sowohl bei den Bauherr*innen als auch bei den Architektenkolleg*innen, obwohl diese durch uns ja zusätzlichen Wettbewerb bekamen.

    Es gibt aus unserer Arbeit in Österreich viele Erfahrungen, die sich uns eingeprägt haben und die auch seither unsere Herangehensweise an Projekte im In- und Ausland beeinflussen. Das ist etwa die Feststellung, dass Deutschland im Vergleich zu seinen kleinen europäischen Nachbarn der große träge Tanker ist, während rundherum mehr Dynamik, ja, auch mehr Mut, herrscht. Architektur als Teil der Kultur des Landes schafft es in Österreich zur prime time in die Nachrichten. Hierzulande ist das undenkbar. Ebenso undenkbar ist es hierzulande, dass alle Fachinstanzen der Genehmigungsbehörden zu einem einzigen gemeinsamen Termin zusammenkommen und das Protokoll dieses Termins quasi die Baugenehmigung darstellt, wie dies bei einem Projekt in Salzburg der Fall war. Für diesen Prozess brauchen wir in Berlin mittlerweile bis zu einem Jahr. Und es herrscht ein ausgeprägtes miteinander statt gegeneinander. In keinem anderen Land sind wir so viele inhaltliche Kooperationen mit lokalen Architekten eingegangen wie in Österreich. Ergebnis dieser Kooperationen beispielsweise mit Caramel Architekten oder YF Architekten waren nie Kompromisse, sondern immer eine Fokussierung der entwurflichen Intention durch starke Synergien.

  • Maeusebunker in Berlin.

    Doppelt gefährdeter Brutalismus

    die Petition zum Erhalt Beispiele der Architektur der Siebziger Jahre

    SEHW unterstützt die Petition zum Erhalt zweier herausragender Beispiele der Architektur der Siebziger Jahre auf dem Campus der Charité in Berlin Steglitz. Sowohl Tagespresse als auch Fachpresse sowie Kammern und Verbände berichteten in den vergangenen Wochen darüber, Architektur- und Kulturschaffende haben es nicht nur dabei belassen, gegen den Abriss zu votieren, sondern Nachnutzungspotenziale für die Gebäude skizziert.

    SEHW verbindet eine lange Geschichte mit der Charité und insbesondere mit dem ehemaligen Institut für Mikrobiologie. War die Sanierung und Erweiterung des Instituts für Pathologie quasi die Keimzelle des Büros, so kam nur wenig später Mitte der Neunziger Jahre mit der Sanierung des Instituts für Mikrobiologie das nächste Projekt für die Charité hinzu. Ein denkmalgeschütztes Gebäude aus 1870, prominent unmittelbar hinter dem Reichstag an der Spree gelegen, durch Kriegsschäden und Veränderungen über die Jahrzehnte verändert, aber mit seiner Fassade aus Backstein und Terrakotten, seinem offenen Treppenhaus mit gusseisernen Säulen und Geländern aus stilisierten Akanthusblättern sowie einem fortschrittlichen Lüftungssystem immer noch ein beeindruckendes Bauwerk jener Zeit. Und viel mehr noch: ein Fanal des Aufbruchs jener Zeit, dem Aufbruch Preussens als Land der Wissenschaften, des Fortschritts und der gesellschaftlichen Veränderung. Um die Nullerjahre erarbeiteten wir für die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung gemeinsam mit Roland Berger Strategy Consultants eine Studie zur Fusion der Hochschulmedizin in Berlin. Und auf einmal hatte die Charité zwei Institute für Mikrobiologie so wie wir das in Berlin aufgrund der Teilung der Stadt bei vielen öffentlichen Gebäuden kennen. Und damals schon wurden von allen Seiten Vergleiche angestellt, Resümees gezogen zwischen den beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Gebäude. Meist gingen diese Vergleiche und Resümees zugunsten des historischen Gebäudes in Mitte aus. Doch das ist zu einfach, sich für das vermeintlich „bequemere“ Denkmal zu entscheiden, ein zu einseitiger Blick. Es gibt in der Entstehungsgeschichte der Gebäude viele Parallelen. So ist das von Fehling & Gogel geplante Institutsgebäude in Beton gegossener Fortschrittsglaube, manifester Ausdruck eines experimentellen Bauens in einer Zeit großer gesellschaftlicher Veränderungen und Experimente. Ganz abgesehen von der skulpturalen Kraft, die es entwickelt. Oder vielleicht entwickelt es ja genau daraus seine Kraft.

    In dieser Konsequenz und Radikalität werden Gebäude heute eher selten konzipiert. Meist mit Hinweis auf die wirtschaftlichen Zwänge oder auf die Funktionalität. Wissenschaftliche Forschungen haben aufgrund der hohen Dynamik heute eine immer kürzer werdende Halbwertszeit, während wir immer noch Gebäude errichten, die Jahrzehnte lang halten sollen. Ergo sollen heute die Gebäude für wissenschaftliche Nutzungen maximal flexibel sein. Das Gegenteil von maßgeschneiderten Skulpturen ist meist das Ergebnis. Das sagt ebenfalls viel über die Gesellschaft heute aus.

    Die verschiedenen über die Stadt verteilten Campi der Charité haben wir in der Zeit unserer Tätigkeit als äußerst flexible Agglomerationen wissenschaftlicher Bauten erlebt und mitgeprägt. Die Vielfalt verleiht diesen Standorten ihren Reiz, ihre Aufenthaltsqualitäten, die Entstehungsgeschichte über mehrere Epochen speist ihre Kraft als Stadtbausteine. Auch in Steglitz sollte es möglich sein, das bestehende Gebäude in eine Campuserweiterung zu integrieren und es als Kristallisations- und Identifikationspunkt für eine zukunftsgewandte Weiterentwicklung zu nutzen statt es abzureissen. Wir bringen uns gerne ein.

    Foto: Helin Bereket